Der Grundstückkaufvertrag, Teil I – Rechtliche Risiken des Verkäufers
28. September 2020I. Einleitung und Übersicht der Risiken
Bei Grundstückkaufverträgen sind immer hohe Geldsummen im Spiel, weswegen es für die Parteien wichtig ist, möglichst wenig Risiken einzugehen und bestehende Risiken bestmöglich abzusichern.
Auf den ersten Blick erscheint das Geschäft für den Verkäufer relativ banal, da er lediglich sicherstellen muss, dass der Käufer ihm den vereinbarten Kaufpreis auch tatsächlich bezahlt. Aus Sicht der Verkäufers ist dann das Geschäft schon abgewickelt. Dieser Schein trügt jedoch, denn neben der Kaufpreiszahlung gibt es für den Verkäufer noch andere Risiken, welche auch nach erfolgter Kaufpreiszahlung eintreten können.
Im Sinne einer Übersicht bestehen folgende Risiken des Verkäufers beim Verkauf seines Grundstückes:
- Kaufpreiszahlung durch Käufer
- Kündigung des Mietvertrages wegen dringendem Eigenbedarf durch neuen Eigentümer
- Versicherungsschutz bei Auseinanderfallen von Eigentümerschaft und Übergang Nutzen und Gefahr
II. Risiken des Verkäufers
1. Kaufpreiszahlung durch Käufer
Das Hauptrisiko des Verkäufers besteht darin, dass der Käufer trotz der vertraglichen Verpflichtung den Kaufpreis schlicht nicht bezahlt. Ein umsichtiger Verkäufer wählt daher eine vertragliche Absicherung, um dieses Risiko ausschliessen oder zumindest massiv reduzieren zu können.
Aus vertraglicher Sicht gibt es verschiedene Varianten und Kombinationen, deren Verwendung auch abhängig von den konkreten Umständen ist (insbesondere die Liquidität des Käufers):
- Vorauszahlung oder Anzahlung durch Käufer;
- Unwiderrufliches Zahlungsversprechen einer Bank oder Versicherung in der Höhe des Kaufpreises;
- Escrow Agreement für den gesamten Kaufpreis (Leistung des gesamten Kaufpreises auf das Bankkonto eines Dritten mit anschliessender Überweisung an Verkäufer bei Unterzeichnung des Vertrages, z.B. mittels Abwicklung über das Bankkonto des Notars);
- Grundpfandverschreibung auf dem Grundstück als Sicherheit für noch nicht bezahlten Kaufpreis (z.B. wenn ein Teil der Kaufpreisforderung als Darlehen stehen gelassen wird);
- Der Verkäufer hat die Möglichkeit, in der Höhe seiner Kaufpreisforderung auf dem verkauften Grundstück ein gesetzliches Grundpfandrecht nach Art. 837 ZGB zu errichten. Dabei ist hervorzuheben, dass die Eintragung dieses Grundpfandrechts spätestens drei Monate nach der Übertragung des Eigentums erfolgen muss. Die Kaufpreiszahlung sollte daher unbedingt innert zweier Monate nach Übertragung des Eigentums erfolgen, damit dem Verkäufer bei einer allfälligen Nichtzahlung des Kaufpreises noch genügt Zeit verbleibt, um das Verkäufergrundpfandrecht eintragen zu lassen.
2. Kündigung des Mietvertrages wegen dringendem Eigenbedarf
Sofern der Verkäufer eine Liegenschaft verkauft, welche derzeit noch vermietet ist, sollte im Grundstückkaufvertrag auch die Frage geregelt werden, was mit der Mieterschaft geschieht. Wird im Grundstückkaufvertrag dazu nichts festgehalten, läuft der Verkäufer Gefahr, dass der Käufer der Mieterschaft wegen dringendem Eigenbedarf mit der gesetzlicher (anstelle der vertraglich vereinbarten) Frist kündigt. Kündigt der neue Eigentümer (Käufer) früher, als es der Vertrag mit dem bisherigen Vermieter (Verkäufer) gestattet hätte, so haftet der bisherige Vermieter dem Mieter für allen daraus entstehenden Schaden (Art. 261 Abs. 3 OR).
Dieses Risiko kann wie folgt ausgeschlossen bzw. minimiert werden:
- Haftungsübernahme durch Käufer im Grundstückkaufvertrag: «Der Käufer übernimmt allfällige Schadenersatzansprüche, die aus einer vorzeitigen Kündigung des Mietvertrages an den Verkäufer gestellt werden.»;
- Sofern im Voraus feststeht, dass der Käufer keinen Eigenbedarf geltend machen will: «Der Käufer verzichtet auf die Geltendmachung der Kündigungsmöglichkeit gemäss Art. 261 Abs. 2 lit. a OR; d.h. die Mieter können diesen Verzicht dem neuen Eigentümer direkt entgegenhalten (echter Vertrag zugunsten eines Dritten).»;
- Vormerkung des Mietverhältnisses im Grundbuch: Im Unterschied zum nicht vorgemerkten Mietvertrag kann bei einer Vormerkung der neue Eigentümer den dringenden Eigenbedarf gemäss Art. 261 Abs. 2 lit. a OR nicht geltend machen.
3. Versicherungsschutz bei Auseinanderfallen von Eigentümerschaft und Übergang Nutzen und Gefahr
Bei einem Grundstückkaufvertrag wird der Käufer mit der Anmeldung beim Grundbuchamt als neuer Eigentümer eingetragen. Unabhängig von diesem sachenrechtlichen Eigentumsübergang regeln die Parteien im Vertrag, wann Nutzen und Gefahr auf den Käufer übergehen (wirtschaftliche Verfügungsberechtigung und Haftung, z.B. im Zeitpunkt des Einzugs des neuen Eigentümers in das Haus). Erfolgt der Übergang von Nutzen und Gefahr erst nach dem sachenrechtlichen Eigentumsübergang, so besteht für den Verkäufer das Risiko, dass der neue Eigentümer den Übergang der bestehenden Versicherungen für das Grundstück ablehnt und – bis zum Übergang von Nutzen und Gefahr auf den Käufer – keine neue entsprechende Versicherung abschliesst. Geschieht in dieser Zeitspanne ein Unfall (z.B. Wasserschaden), haftet der Verkäufer, weil er weiterhin Nutzen und Gefahr trägt, jedoch hat er keine Versicherung, welche den Schaden deckt. Nur den Eigentümer des Grundstücks kann die entsprechenden Versicherungen für das Grundstück abschliessen.
Der Verkäufer kann das Risiko durch folgende rechtliche Absicherung im Vertrag ausschliessen bzw. minimieren:
«Lehnt der Käufer den Übergang von Versicherungen ab, verpflichtet er sich gegenüber dem Verkäufer, das Vertragsobjekt spätestens ab dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs bis zum Übergang von Nutzen und Gefahr mindestens im bisherigen Umfang neu zu versichern.»
-MLaw Armin Gilg, Rechtsanwalt und Notar